Стихи перевела на немецкий язык Мелита Нойман
Опубликовано в журнале Студия, номер 14, 2010
Elena Tinowskaja
An die Erinnerung v. Boris Ryzij Übersetzung v. Melitta Neumann
Tür im Dach
└über die Metaphysik
und die Metaphysiker…“
└beim himmlischen Honig vergessen
die Menschen die irdischen Blumen.“
Hannover
Verfluchte Sommergrippe. Bei der Hitze
Liegt man bedeckt mit einer dicken Decke
Und schwitzt. Und liest die Philosophen,
Von denen es hier jede Menge Bücher gibt.
Utopische Ideen, Illusionen.
Verfechter unabhängiger Gedanken.
Zum Beispiel auch der alte Faust,
Dem es gelang, den großen Fürsten
Der Finsternis hervorzulocken.
Du kühner Weltenwanderer, wo gehst du hin?
Die Stadt ist ja schon längst am Horizont verschwunden.
Eins musst du wissen: da, wo du hingehst,
Wirst du von niemandem erwartet.
Jedoch auf halbem Wege wenden
Und umzukehren, empfindest du als Schande.
Nun überleg doch mal und sei vernünftig,
Um Jenen zu verstehen, der die Welten
Erschaffen hat und sie regiert,
Muss man zum Mindesten so groß wie Er sein.
(Und das genau fehlt ja uns Menschen.)
Kehr um und komm zurück.
Du kannst behaupten,
Du hättest Sehnsucht nach den bunten Wiesen.
Nach Glockenläuten und den vielen Festen,
Nach Weihnachten mit seinem Hang zum Süßen,
Nach Räucherschinken in den Metzgerläden.
Wenn du dir selber doch ein Rätsel bist,
Wie willst du den verstehen,
Der solche Lebenssüße gar nicht kennt?
Reicht dir dein Ruhm denn nicht und dein Verstand?
Reicht dir dein Mädchen nicht mit ihren ernsten Blicken?
Anscheinend nicht, denn du gehst weiter
Gehst mitten in die Dunkelheit hinein!
Schon bist du nicht mehr unter uns
Ein Brief
Mein lieber Nietzsche, wäre das ein Ausweg?
Wenn Not und Krankheiten uns so bedrängen
Dass uns schon gar nichts mehr zu wählen bleibt,
Dann sollt’s doch möglich sein, in einem Wurmloch
Das Nichts des Jenseits rasch zu überqueren
Und landen in dem alten Leben. Wieder
Zum ersten mal der Frau begegnen,
Die einmal deine werden wird.
Nicht der Gaspromfunktionärin,
Noch ist sie Schülerin mit Zöpfen.
Betört von diesen Zöpfen, das Mädchen unterhaken
Und durch die Stadt mit ihr stolzieren,
Vorbei an deiner alten Jugendclique,
Die alle wieder quicklebendig,
Dich, euch beneiden und bewundern
In der gemütlich schlichten Zukunft
Russlands vor der Perestroika,
In unserer Vergangenheit in spe.
Jekaterinburg
Ich frag mich nur, warum er damals
Zu mir kam, sprach verzweifelt,
Dass es ein Fehler war. └Nun ja, es war
Ein Fehler. Ich habe alles überstürzt.
Ich käme gern zurück, wenn ich nur könnte“.
Wir schwiegen eine halbe Stunde.
Dann tippte er aufs Handgelenk mit seinem Finger,
Als wollte er mir damit sagen: ┌Die Zeit ist um
Ich muss zurück. Ich bin beurlaubt
Von jener geheimnisvollen Macht
Genau für eine halbe Stunde’.
Im Gang draußen plötzlich Stimmen,
Die Krankenschwester wollte wissen,
Ob Iwanowa denn die Medizin bekommen hat.
Die andre schepperte mit ihren Schüsseln
Und konnte sie nicht recht verstehen:
└Was?” – fragt’ sie, └wer? Die Iwanowa?
Ja sie hat”. Damit verschwand sie leise (…)
Träume
Wenn man an seine lieben Toten denkt,
Und an die Zeiten, die mit ihnen
Unwiederbringlich sind verloren,
Dann sucht man mit den Jahren Wege
Wie sie vielleicht ja doch
Noch irgendwie zurückzuholen wären.
Zumeist im schweren Schlaf, im Alptraum.
Man nimmt ja viele teure Schlaftabletten
Und kippt sich einiges hinter die Binde.
Doch alles ist vergeblich.
Nur manchmal
Erscheint im Reigen dunkler Schatten.
Ein liebes, unvergessenes Gesicht.
Dann schließt man rasch die Augenlieder.
Was war das? Komm zurück und bleib bei mir,
Teil meine Liebe, wisch’ mir die Tränen ab. –
Als wir noch dumme Kinder waren,
Erschreckten uns Besucher aus dem Jenseits.
Wir Feiglinge, wir wussten ja noch nicht,
Dass einmal Zeiten werden kommen,
Wo wir die Lieben aus den Gräbern
Hinaufbeschwören würden
Und uns an sie mit einer Bitte wenden,
Dass sie uns zu sich holen möchten, wenn sie gehen.
Doch nein, das tun sie nicht. Sie wollen uns nichts Böses.
Deswegen schicken sie uns manchmal Träume.
Zum Beispiel solchen:
Ein Frühlingsgarten in der grellen Sonne,
darin ein Fliederbusch in voller Blüte,
Doch gänzlich ohne Schatten.
Mein lieber Freund, du könntest doch als Schatten
Von diesem Fliederbusch in meinem Traum erscheinen.
Im besten aller meiner Träume
Und in dem bittersten zugleich (…)