Опубликовано в журнале Студия, номер 13, 2009
Barbarisch, ja! Doch süßer Klang …
Wladimir Solowjow
Versucht nur, euch mit uns zu schlagen!
Ja, unsre schrägen Augen, gierig schon,
Verkünden: Wir sind Skythen, Asiaten!
Für euch Jahrhunderte, für uns ein Augenblick.
Mongolen, Europäer, die sich hassen –
Als treue Knechte hielten wir den Schild
Gehorsam zwischen beide Rassen.
Mit eurer Schmiede habt jahrhundertlang
Ihr überdröhnt das Toben der Lawine,
Ihr schautet auf Messinas Untergang,
Als ob er wie ein Märchen euch erschiene.
Jahrhunderte saht ihr nach Osten, dann,
Das Gold einschmelzend, das ihr uns gestohlen,
Habt höhnend ihr die Frist berechnet, wann
Auf uns zu richten wären die Kanonen.
Jetzt ist die Stunde da, der Flügelschlag
Des Unheils nähert sich, es künden
Uns eure Kränkungen: bald kommt der Tag,
Wo spurlos eure Städte schwinden!
O alte Welt, solange du noch lebst
Und dich verzehrst in süßen Klagen,
Bleib stehn, wie Ödipus einst vor der Sphinx,
Und löse weise deine Fragen.
Russische Sphinx. Traurig, vor Freude toll,
Ihr schwarzes Blut verströmt sie, sich verschenkend.
Und sieht euch an, teils hass-, teils liebevoll,
Mit Blicken, die sich stumm in euch versenken.
Ja, so lieben, wie dies Blut hier liebt,
Könnt ihr schon längst nicht mehr. Und nicht erkennen,
Daß es auf Erden eine Liebe gibt,
Die euch zerbrechen kann wie auch verbrennen.
Wir lieben alles: gallischen Esprit,
Der Zahlen kalte Glut, das Ahnen
Des Unbekannten, doch auch das Genie
Des finster brütenden Germanen.
Und wir erinnern uns der Hölle auch,
Der Straßen von Paris. Venedigs Feste
Sind uns so nah wie jener graue Rauch,
Der sich auf Kölns Gemäuer niederpreßte.
Des Fleischs Vergänglichkeit – sinnlich und keusch –
Wir lieben sie wie seinen bittern
Verwesungshauch. Sind wir denn schuld, daß euch
In unsren Armen eure Knochen splittern?
Wir sind gewohnt, beim Zaum zu fassen die
Tollenden Pferde, in die Mähnen
Uns krallend, brechen wir ihr Kreuz, wie die
Geraubten Weiber wir uns zähmen.
Erholt euch von des Krieges Schrecken, hört,
Von unsern Armen freundlich-fest umschlossen:
Noch ist es nicht zu spät, steckt ein das Schwert,
Laßt uns zu Brüdern werden und – Genossen!
Wenn ihr nicht wollt – wir sind uns selbst genug,
Wir pfeifen auf das Wort der Treue!
Euch wird noch ein Jahrhundert lang der Fluch
Der kranken Enkel treffen stets aufs neue.
Europa, anmutsvolle Dame, wir
Werden durch Steppen und durch wüste Wälder
Dir eine Bresche schlagen: Mädchen, hier,
Sieh unsre Asiatenfratzen selber!
Wir räumen euch das Feld bis zum Ural
Für eure stählernen Maschinen:
Asiatenhorden gegens Integral –
Wir sehen zu mit unbewegten Mienen.
Wir sind ab heute euch kein Schild mehr, nein,
Kämpft euren Todeskampf mit den Mongolen,
Wir greifen in den Kampf jetzt nicht mehr ein,
Wir werden zusehn, wenn die Schlachten toben.
Wir werden aus den Augenschlitzen sehn,
Wie sich um euer Fleisch die Hunnen streiten,
Wie eure Städte brennend untergehn
Und zwischen Trümmern ihre Pferde weiden.
Zum letztenmal: besinn dich, alte Welt!
Zum brüderlichen Fest der Friedensfeier,
Zum Fest der Arbeit, das uns friedlich eint,
Ruft der Barbaren Leier!
30. Januar 1918
Deutsch von Heinz Czechowski
VALERI BRJUSSOV
Der Freie
Seid gegrüßt, verwegene Bande, Freunde ungestümer Zeit!
Seht mich, vogelfrei zu wandern, eins mit euch und tatbereit!
Lange saß ich eingekerkert, aß vom Brot des Sklavenvolkes,
Hört den Ruf im Herzen, Leute, tretet in den Kampfkreis, ihr!
Daß wie ehemals zur Beute Barke folgt auf Barke mir.
Schlägt mein Arm die alten Schläge? Hört die Stimme ihr im Lärm noch?
Gold und Silber mit der hohlen Hand miß, Pelze ellenweis.
Sind verstaut die hübschen Dinge, zündet Feuer unterm Himmel,
Und der Freudenbecher klinge zum Gesang der hundert Stimmen;
Läßt die Wellen eisig strömen, kühlt den Sand zu Eis der Mond,
Wird von der geraubten Schönen jeder nach der Reih belohnt!
20. Mai 1907
Deutsch von Elke Erb
W. Iwanow
Ein drohend Gewölk schwärzt den Tag!
Ich hör auf den Gipfeln des Pamirs
Der Hufe metallischen Schlag.
Ihr Horden von finsteren Lagern,
Brecht auf als schäumende Flut –
Belebt die gebrechlichen Leiber,
Die alten mit flammendem Blut.
Ihr Sklaven der Freiheit, errichtet
Auf Schlössern euer Gezelt,
Laßt, wo die Thronsäle standen,
Aufwogen in Ähren ein Feld.
Türmt Bücher zu Scheiterhaufen,
Tanzt freudig im lodernden Licht,
Besudelt, unschuldige Kinder,
Die Tempel und schont ihrer nicht!
Doch wir, die Weisen, die Dichter,
Zu Hütern des Glaubens bestellt,
Wir werden bergen die Lichter
In Katakomben jenseits der Welt.
Was wird von des Flugsturms Gefahren,
Der Sturzflut, die niedergeht,
Der spielende Zufall bewahren,
Wes Werk ists, was besteht?
Vielleicht geht mit mir zugrunde,
Was kund war dem Dichter allein.
Zerstörer zur stürzenden Stunde,
Willkommen sollt ihr mir sein.
Herbst 1904, 30. Juli bis 10. August 1905
Deutsch von Uwe Grüning
***
Ich ahne voraus die stolzen Schatten
Der stolzen Zukunftsepochen,
Die Treppen bis zu den Wolkenmatten
Und Häuser – versteinte Knochen.
Die Straßen kribbeln von Menschen,
Belebt von der Massen Krawall,
Ein Leben, das Wunder umglänzen,
Wo jeglicher Schritt ist fatal.
Alle Macht der maßlosen Lüste,
Alles Graun des gefundenen Worts –
Inmitten totstarrer Gerüste,
Im Hohlweg des Häusermords.
20. März 1899
Deutsch von Roland Erb
***
Im unvollendeten Gebäude
Wir tappen auf schwanken Gerüsten,
Das werdende Bauwerk zu schaun,
In einer dumpfen Erwartung;
Wir, die wir dem Abend mißtraun.
Zerrissene Stahlblätter liegen
Im Weg – wir zögern zu gehen,
Und hinter unsicheren Stiegen
Den schwindelnden Abgrund wir sehn.
Durch offene Mauerlöcher
Schaun scheu wir der Ebenen Hauch:
Dächer, getürmt über Dächer.
Und Kälte und Schweigen und Rauch.
Wie schreckt uns der unbekannte,
Der Kerker, dies wachsende Rund!
So stehn wir kläglich, Gebannte,
Und schaun in den schwindelnden Grund.
Doch erste gemauerte Stufen
Führen ins Dunkel hinauf
Der Balken – wie Boten sie rufen,
Wie Zeichen stehen sie auf.
Denn Wände statt dieses schwanken
Gerüstes werden hier stehn.
Entsinnt euch, zäh-starre Gedanken:
Ihr habt ja den Bauplan gesehn.
Der Turm wird zum Himmel sich heben,
Wie ihrs erklügelt, ersannt,
Und wird die Menschheit umgeben
Am Grund mit der steinernen Wand.
Und deshalb: wir gehn und mißtrauen
Der Zeit, die voll Dunkelheit ist.
Wir tappen durchs Haus, das sie bauen,
Wir tappen auf schwankem Gerüst.
Deutsch von Uwe Grüning