Опубликовано в журнале Студия, номер 9, 2005
«Hör auf, zieh ab, sonst kannst du was erleben!»
Er bleibt zurück, um traurig und ergeben
Sich wieder anzuhängen wie ein Kind.
Er wächst mir wie ein Flügel hinten an.
«Was fällt dir ein, du Bummler, Bube, Teufel,
Bescher lieber den Blumen dein Geträufel!
Was findest du an mir? Na geh schon, Mann!»
Die Hitze rings indessen schwillt zur Schwüle.
Der Regen baumelt an mir weltvergessen,
Und mich umzingeln Kinder, wie versessen
Auf Schwapps und Spritzer einer Wassermühle.
Ich flieh in ein Café; tauch unters Dach,
Verziehe mich an einen Nischentisch.
Der Regen steht am Fenster bettlerisch
Und will am liebsten durch die Scheiben nach.
Kaum tauch ich wieder auf, kommt er gesprungen
Und prügelt mich mit seinen kalten Strippen,
Um jäh, wie abbittend, zu tupfen meine Lippen
Wie mit dem Schnäuzchen eines Hundejungen.
Wie mag ich aussehn? Blödsinnig wahrscheinlich.
Mit nassem Fell wie ein begoßnes Schäfchen,
Den Regen auf der Schulter wie ein Äffchen …
Die ganze Straße gafft nach mir schon. Peinlich.
Mit Kinderfingern kitzelt er mein Ohr,
Ich werde schwach, da küßt er es frohlockend.
Die Hitze drückt, dörrt alles knochentrocken,
Nur ich triefe vor Nässe nach wie vor.
Ein Haus, das heilig weiß, was sich gebührt,
Wo ein Geweihlüster als Mond brilliert
Im Bernsteinteich des spiegelnden Parketts.
Den Regen mitbringen wie einen Strauß?
Was tun? Nicht abzuschütteln, dieser Iwan!
Womöglich macht er auf den Teppich oder Diwan,
Und ich fliege als Schuldige hinaus?
«Ich bin zwar lieb und nett», beginn ich leise
Und werde laut, «doch denke nicht, auch törig!
Wir zwei, das paßt sich nicht, ist ungehörig!»
Der Regen schluckt und — guckt wie eine Waise.
«Was soll’s», ich seufze, «schön, komm mit, du Strick!
Mich so mit deiner Liebe vollzuschwappen!
Ein irres Wetter auch, zum Überschnappen!»
Er hüpft vergnügt und spritzt voraus ein Stück.
Verdien ich gar nicht! Trotzdem steh ich nun
Im Hausflur, tropfend wie ein Wasserhuhn,
Und läute (pünktlich! Es ist sechs Uhr dreißig).
Der Regen macht sich hinter mir ganz klein,
Sein Hechelatem fächelt meinen Nacken.
Dann: Schritte — Stille — Guckloch — Schlüsselknacken …
«Pardon, mein Regen … Dürfte er mit rein?
Ich meine: rein und raus auf den Balkon?
Für drinnen ist er viel zu lang und flüssig.»
Der Hausherr murrt was, hüstelt, sich nicht schlüssig,
Und schielt besorgt nach hinten zum Salon.
Hier tanzt die Leichtigkeit den Schwanensee,
Hier trampelt dir kein Möbel auf den Zeh,
Hier schneidet dich kein Messer aus Versehen.
Ich liebe, wie mit seidnem Faltenfall
Die Hausfrau schreitend raschelt — stolz, gewichtig!
Und ach, in der Vitrine, zartgesichtig,
Mein schlafendes Schneewittchen, das Kristall!
Spektrales Siebenrosenrot, verschanzt
Im Glassarg, scheintot, lieblich bis zur Qual …
Doch hoppla, das Begrüßungsritual
Wird eben ausgesungen und -getanzt.
Im tiefsten Herzen, fühle ich, nicht grün,
Nur hält sie noch das tapfere Bemühn,
Modern und tolerant zu sein, zurück.
«Wie geht es Ihnen?» (O Gewittersegen,
Im Stimmchen einer Stolzen unterdrückt!)
«Och danke», sag ich, «hab — es war verrückt —
Im Fieber wie ein Schwein im Dreck gelegen.»
(Was kam da meinem Willen in die Quere?
Ich hatte doch zu sagen mich entschieden:
O gut! Ich leb zwar unstet, doch zufrieden,
Zumal ich Sie heut seh zu meiner Ehre.)
Sie sagt: «Ich muß Sie tadeln, meine Beste.
Bei Ihren Gaben einfach so zu Fuß
Den ganzen Weg durch diesen Regenguß!»
Und alles schreit: «Ans Feuer sie!» — «O Gäste!
Ein Stück zurückgedreht die Zeit von heuer —
Ihr hättet mich zu Trommel und Drommet
Aus tausend Kehlen auf dem Markt geschmäht
Und gar geschrien: Ins Feuer sie, ins Feuer!
Für das, was ist, wird sein und ist gewesen,
Und überhaupt: die Schwarzmagie der Augen
Und Laute, die vom Mund sich ohne Saugen
Wie Kerne überreifer Kirschen lösen.
Ich grüß dich, Feuer! Springe mir entgegen,
Mein Bruderherz, mein Hundchen, komm und lecke
Mit süßem Züngeln meine Hände, stecke
In Brand! Dein Brand ist feucht, auch du bist Regen!»
«Ihr Monolog ist etwas … nun … bizarr»,
Bemerkt der Hausherr giftig. «Doch was tut es,
So ist die Jugend — voll des Übermutes!
Ihr gutes Recht, ihr Charme durchaus sogar.»
«Ich red im Fieber, geben Sie nichts drauf.
Der Regen ist dran schuld, sei’s ihm bescheinigt.
Er hat mich wie ein böser Geist gepeinigt.
Ja, er — gab meinem Unglück hier den Lauf.»
Am Fenster, sehe ich, auf dem Karnies
Steht trostlos weinend mein getreuer Regen,
Ich spür, wie sich zwei Tränen in mir regen
Als Spur, die er verstohlen hinterließ.